Was bisher geschah!

Apr 21, 2022

Roci und ich sind unterwegs und es ist so viel passiert, dass ich erst jetzt dazu komme Dir ein Update zu schicken. Mittlerweile sind wir bereits in Rotterdam, wo ein paar Tage Pause gemacht wird. Damit es nicht zu viel wird teile ich den Newsletter in zwei Teile. Dieser hier bis ins Ijsselmeer. Der nächste dann bis Rotterdam.

Ab jetzt kannst Du uns übrigens auch quasi live verfolgen. Der Link zu der Trackingseite lautet:

https://forecast.predictwind.com/tracking/display/SVRocinante

Es ist sehr schade, dass unsere Route bis hierher nicht zu sehen ist, aber wir hatten technische Probleme mit dem Satellitentelefon. Ab jetzt kann man aber hoffentlich den ganzen weiteren Weg auch im Nachhinein nachvollziehen.

Die Buchungen der Törns sind leider weiterhin sehr mau. Daher wurde es bis hierher eher ein Überführungstörn, als ein Kojencharter. Auch deshalb haben wir uns nicht mehr an den Törnplan gehalten, sondern sind soweit gefahren, wie wir halt gekommen sind.

Solltest Du jetzt, wo der Frühling seine Wärme auch nach Deutschland getragen hat, spontan Lust auf segeln haben, dann melde Dich jederzeit. Es ist Platz und Roci und ich sind gut drauf. Nächste Einstiege sind Samstag 07.05.2022 in Le Havre, Samstag 14.05.2022 St. Malo, Samstag 21.05.2022 Brest 3 Wochen Offshorepassage und Samstag 11.06.2022 wahrscheinlich Terceira, Azoren (Änderung zum Törnplan) 2 Wochen Offshore Passage. Solltest Du Lust haben, aber nicht an einem der Einstiege sein können, dann melde Dich trotzdem. Wir bekommen bestimmt auch etwas auf dem Weg hin.

Dieser Bericht wird etwas länger und umfasst, Rocis Taufe, den Aufbruch in Hamburg über Wedel nach Cuxhaven und die erste längere Passage über Nacht von Cuxhaven nach Makkum.

Aber von Anfang an…

Die Taufe

Wie geplant haben wir am Donnerstag, den 07.04.2022 eine kleine Taufe durchgeführt. Eher eine Umtaufe. Gerade deshalb kam es mir enorm wichtig vor, den neuen Namen unter Berücksichtigung der Tradition zu zelebrieren. Auch wenn das Wetter richtig mies war und wir für die Zeremonie sehr sorgfältig eines der fünf Minuten währenden Zeitfenster zwischen zwei Hagelschauern abpassen mussten, hatten wir viel Spaß.

Der Aufbruch

Am nächsten Morgen sind wir dann mit dem ablaufenden Wasser in Hamburg Finkenwerder aufgebrochen und nach Wedel gefahren, was schon die erste Planänderung war. Allerdings wollte ich unbedingt noch vor der Abfahrt unser Rigg checken lassen und aufgrund des schlechten Wetters mussten die Rigger den ursprünglichen Termin verschieben. So war unsere erste Etappe sehr kurz und bereits um 09.00 Uhr waren wir in Wedel. Die Rigger begutachteten Mast, Wanten, Baum etc. und waren insgesamt sehr zufrieden. Ein paar kleine Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge wurden gemacht, die wir auch zeitnah umgesetzt haben. Dazu gehörte auch die Salinge (Querverstrebungen am Mast, die der Statik des Mastes mehr Stabilität geben) in einem anderen Winkel zum Mast anzubringen. Dazu kommen wir in Newsletter Nr. 11 noch. Das war nämlich nicht ganz einfach und es brauchte ein wenig Artistik.

Der restliche Tag wurde intensiv genutzt um die liegengebliebenen oder wegen des starken Windes noch nicht erledigten Arbeiten nachzuholen. Wir haben den Windpilot installiert. Leider noch nicht ganz korrekt, was einen neuen Plan und eine erneute Auseinandersetzung zur Folge hatte und erst in Cuxhaven korrigiert werden konnte. Die Segel wurden endlich gesetzt und einige weitere kleinere Arbeiten ausgeführt. So waren wir dann mit einem Tag Verspätung wirklich bereit die erste Etappe anzugehen.

Zu dem Zeitpunkt war ja klar, dass neben mir und meinen Freunden Anthea und Max keine weitere Crew an Bord sein würde. Und auch in den zwei Törns danach waren ausschließlich gute Freunde angekündigt, die zeitlich nicht so gebunden sind. So konnten wir die Route etwas flexibler planen und noch besser an Wind und Wetter anpassen.

Am Samstag ging es nun los. Wieder machten wir uns sehr früh mit ablaufendem Wasser, also bei Hochwasser in Wedel auf den Weg. Diesmal mit Ziel Cuxhaven. Erstaunlicher Weise haben wir das Ziel auch erreicht. Auch wenn ich zwischendurch nicht daran geglaubt habe, denn der starke Nordwest Wind mit Böen über 30 Knoten machte uns das Leben sehr schwer. Es war arschkalt und immer wieder sind Hagelschauer über uns hinweggezogen. Aber das Schlimmste war die kurze, hohe und sehr steile Welle, die uns nicht nur langsam gemacht hat, sondern auch das Leben auf Roci stark eingeschränkt hat. Jedes Mal, wenn Roci über eine Welle mit der Nase in die Höhe geschossen ist und dann wieder platt auf das Wasser gekracht ist, waren wir kurz still, ob des Krachs und der Brutalität, die damit einherging.

Die Strömung der Elbe und der Tide gegen den Wind haben diese unangenehme Welle erzeugt. Gleichzeitig reisten wir im ablaufenden Wasser, mitgerissen durch Strömung, mit bis zu 8 Knoten Geschwindigkeit, was unter diesen Bedingungen wahnsinnig schnell ist.

Trotz der Strapazen erreichten wir die City Marina Cuxhaven gegen 17.00 Uhr, ziemlich durchgefroren und ausgelaugt aber auch sehr glücklich über diesen erfolgreichen ersten Test von Mensch und Material. Leider ist die City Marina ziemlich klein, sodass wir uns nach einer kurzen Begutachtung in den Motorboot Club Cuxhaven verholt haben.

Nach einem erneuten Blick auf den Wetterbericht des folgenden Tages fiel es uns leicht zu entscheiden den nächsten Tag in Cuxhaven zu bleiben und unsere geplante Fahrt nach Helgoland zu verschieben.

Nach einem Sonntagsfrühstück hatten wir so Zeit erneut Arbeiten am Schiff durchzuführen. Unter anderem besagten Windpiloten korrekt zu installieren. Die endlose Liste der zu tuenden Dinge an Bord heißt ja leider nicht umsonst so. Zu unserem Leidwesen zeigte sich das Wetter mit Schauern und starken Böen weiterhin uneinsichtig und so mussten unsere Arbeiten immer wieder durch Rückzug unter Deck unterbrochen werden. Zum Montag sollte sich das Wetter jedoch ändern. Heimlich machte ich mir bereits Hoffnungen auf Ostwind, der uns nach Westen tragen könnte. Ab Montagnachmittag war Nordostwind, über Ost nach Süd, zum Mittwoch wieder nach West drehend angesagt. Mit dieser Wetterprognose war klar, dass wir den günstigen Diesel und Alkohol in Helgoland liegen lassen mussten. Wir konnten uns also bereit machen für unseren ersten Segeltag, der gleichzeitig auch unser erster Nachtschlag sein würde, denn mit dieser Wetterprognose wollten wir versuchen die knapp 160 Seemeilen (ca. 300) nach Harlingen in einem Rutsch durchzusegeln.

Cuxhaven nach Makkum

Der Montag kam und das Wetter wurde milder. Die Sonne kam raus und man konnte den Frühling mit einem Mal förmlich spüren. Zwar war es immer noch ziemlich kühl, gleichzeitig zeigte die Sonne bereits Ihre Kraft und wärmte uns. Kurz vor 11.00 Uhr ging es los. Immer zur vollen Stunde wird die Klappbrücke in Cuxhaven geöffnet und da erst zum Nachmittag der geeignete Nordostwind angesagt war hatten wir es auch nicht all zu eilig. Unseren Weg aus der Elbe machten wir unter Motor, umgeben von den riesigen Frachtern und Tankern aus aller Welt, die uns entgegen kamen oder vorbei zogen. Aber was für ein anderes Bild zeigte sich uns im Vergleich zu den Tagen zuvor. Glatte See, gute Sicht, Sonnenschein. Das war schon mal sehr viel versprechend. Leider stimmte die Wettervorhersage doch nicht so 100%, wie es ja meistens ist und so ließ sich der Wind viel Zeit bis er dann endlich einsetzte. Aber er kam aus der richtigen Richtung und nahm im weiteren Verlauf des Abends und der Nacht auf die über 20 Knoten zu, die auch angesagt waren. Und so wurde es ein tolles Segeldebut mit Rocinante. Mit Passatsegelstellung (das Vorsegel mit Spinackerbaum festgestellt auf der einen Seite, das Großsegel auf der anderen mit einem Bullenstander oder Preventer festgesetzt) flogen wir zeitweise mit bis zu 10 Knoten Geschwindigkeit dahin und machten die zu Beginn verlorene Strecke wieder gut.

Das Segeln auf der Nordsee ist schwierig. Nicht nur die Gezeiten und tückische Winde machen das Segeln kompliziert. Vor allen Dingen ist es der viele Verkehr und die Beschränkung des Seeraums dadurch. Wir segelten in der ca. 4 Seemeilen breiten Küstenverkehrszone nach Westen, die wir uns aber mit vielen Fischerbooten unterschiedlichster Größe, manchmal auf dem AIS sichtbar, manchmal nicht, teilen mussten. Direkt daneben seewärts beginnt das sogenannte Verkehrstrennungsgebiet, was nichts anderes ist als eine Schiffsautobahn für Frachter und Supertanker, in dem man vorgeschriebene Seiten hat, die als Einbahnstraßen ausgewiesen sind und in denen ein Sportboot, wie Roci, die „Großen“ nicht behindern darf. Was schwierig ist, da diese Riesen der Meere immer noch drei bis fünf Mal so schnell sind wie wir. Daher tut man gut daran, es gar nicht erst zu befahren, sondern seine Route am Rande dieser Verkehrstrennungsgebiete zu planen. Es war eine wirklich großartige Nacht. Es war kalt, aber der Wind aus der richtigen Richtung in beherrschbarer Stärke vertreibt die Kälte und wenn Roci mit 10 Knoten die Welle runter surft, dann schießt das Adrenalin ein und vertreibt jeden anderen Gedanken. Wir schliefen in Schichten und zum ersten Mal erlebten wir Roci auf einer richtigen Passage, mit Welle und Wind. Als sich dann am nächsten Morgen, erst mit lila, dann mit pink die Sonne des neuen Tages ankündigte, ich Sir Hyva unserem Windpilot bei der Arbeit zusehen konnte, und das Schiff einfach lief, war es perfekt. Ich liebe das! Wir lagen richtig gut in der Zeit und so langsam konnten wir uns sogar Hoffnungen machen, Harlingen backbord (links) liegen lassen zu können und direkt bis nach Makkum im Ijsselmeer, also bereits durch die Lorentzschleuse in tidenfreies Gewässer vorzudringen.

Aufgrund der Windrichtung mussten wir zwischen den Inseln Terschelling und Vlieland, bei der Einfahrt in die Niederländische Waddenzee, den Motor wieder anwerfen und den restlichen Weg unter Motor zurücklegen. Nach diesem das erste Mal segeln dieses Jahr, dem ersten Nachtschlag, die erste internationale Passage, das erste Mal kochen bei Seegang, das erste Mal mit Windpilot, die erste Passage länger als 24 Stunden und so vielen weiteren Firsts, machten wir nach 30 Stunden in der Marina in Makkum fest. Und das einzige, was kaputt gegangen war, war die oberste Segellatte, die bereits am nächsten Tag beim ansässigen Segelmacher ersetzt werden konnte. Ansonsten hat Roci ihre Hochseetauglichkeit erneut unter Beweis gestellt und uns richtig Bock auf weitere lange Passagen gemacht.