Was bisher geschah pt. 2

Mai 5, 2022

Wie angekündigt folgt hier der zweite Teil des Berichts meiner und Rocis Reise bis Rotterdam. Natürlich sind wir ja nicht faul und mittlerweile schon in Frankreich. Du kannst Dich also bereits auf die nächsten Reiseberichte über unsere Zeit in Belgien und Frankreich, wo wir im Moment sind, freuen.

Wenn Du genau wissen willst wo wir uns aufhalten, kannst Du uns weiterhin auch live begleiten.

Der Link zu der Trackingseite lautet:

https://forecast.predictwind.com/tracking/display/SVRocinante

Wie immer:

Solltest Du spontan Lust auf Segeln haben, dann melde Dich jederzeit. Wir werden mit jeder Woche besser und die Kullissen für unsere Törns sind ein Traum.

Nächste Einstiege sind

Samstag 07.05.2022 in Le Havre,

Samstag 14.05.2022 St. Malo,

Samstag 21.05.2022 Brest 3 Wochen Offshorepassage und

Samstag 11.06.2022 Terceira, Azoren (Änderung zum Törnplan auf der Homepage) 2 Wochen Offshore Passage.

Solltest Du Lust haben, aber nicht an einem der Einstiege sein können, dann melde Dich trotzdem. Wir bekommen bestimmt auch etwas auf dem Weg hin.

Jetzt geht es los. Dieser Bericht beinhaltet unsere Fahrt nach Amsterdam durch das Ijssel- und das Markermeer, Amsterdam, die Stande Maast Route, Gouda und unsere Ankunft in Rotterdam.

Viel Spaß beim lesen

Ijsselmeer

Trotz des Erfolgs, in einem Rutsch und über Nacht bis nach Maakum am Ijsselmeer gekommen zu sein, waren wir natürlich ziemlich fertig auf den Reifen und gönnten uns etwas Ruhe. Auch am nächsten Tag machten wir erstmal langsam und jetzt, befreit von den Zwängen, die Ebbe und Flut uns auferlegt hatten, begannen wir unsere recht kurzen Etappen nach Amsterdam. Die Erste von gerade mal 20 Seemeilen nach Enkhuizen starteten wir erst gegen Mittag. Ein völlig ereignisloser Tag quasi ohne Wind und unter Motor, mit der tatkräftigen Unterstützung von David Bowie aus den Außenlautsprechern, zum anderen Ende des Ijsselmeeres folgte. Das Ijsselmeer war früher einmal Nordsee bzw. Waddenzee und wurde zu Beginn des 20ten Jahrhunderts dem Meer abgerungen und durch einen großen Damm begrenzt und genutzt um Land zu gewinnen. Also ein Teil der ehemaligen Waddenzee ist jetzt das Ijsselmeer, flach, vergleichsweise ruhig und vor allen Dingen Gezeiten befreit. Der andere Teil wurde trocken gelegt und zu Agrar- und Wohnflächen umgewandelt. So kommt es auch, dass die Städte wie Maakumn und auch Enkhuizen noch diesen friesischen Charme und den Habitus von ehemals bedeutenden Handels- und Fischereizentren haben.

Enkhuizen, ein ziemlich klassisch, niederländisch, pittoreskes Städtchen mit alten Steinen und Häusern, an der Schleuse vom Ijsselmeer ins Markermeer, ist sehr interessant zu erkunden. Ein kleiner Spaziergang durch das historische Zentrum, mit seiner großen gotischen Kirche und dem beeindruckenden ehemaligen Wehrturm und der Genuss einer hervorragenden Pizza, lässt uns die uns Stadt in guter Erinnerung behalten. Aber natürlich gab es auch noch was von der „endlosen Liste“ zu erledigen. Und so entschieden wir uns noch vor Stadtspaziergang und Pizza unsere Salinge zu richten. Die Rigger in Hamburg hatten mich darauf hingewiesen, dass die „Salinge hängen“, d.h. leicht in Richtung Deck und nicht leicht zum Himmel, wie es eigentlich sein sollte, streben. 

Wir steckten die Köpfe zusammen, machten einen Plan und zogen mich in den Mast. Rocinante hat zwei Salinge, eine bei ca. 2/3 Masthöhe und eine bei ca. 1/3 Masthöhe. Für den ungeübten und unerfahrenen Kletterer, wie mich, ist schon immer wieder aufregend in ca. 20 Meter Höhe handwerkliche Arbeiten durchzuführen. Aber es musste sein und nach anfänglichem Unwohlsein, ob der Höhe, gewöhnte ich mich recht schnell ein und entwickelte mehr Vertrauen zu den Leinen, die mich hielten. In meinem sog. Bootsmannstuhl sitzend lockerte ich die Salinge und Max und Anthea die Wanten. Mit der Umwidmung eines Falls, waren wir nach einigen Versuchen in der Lage die Salinge anzuheben und in der neuen Position wieder festzumachen. Nach ca. zwei Stunden war ich wieder sicher an Deck und musste schwer damit rechnen am nächsten Tag einen schlimmen Muskelkater davonzutragen. Spaß hat es trotzdem gemacht. Und es ist immer ein gutes Gefühl etwas von der endlosen Liste zu streichen.

Maarkermeer und Amsterdam

Unser nächstes Ziel war Amsterdam. Amsterdam! Wie geil würde es sein auf dem Schiff nach Amsterdam einzufahren.

Gleich am nächsten Morgen ging es weiter. Durch die Schleuse Krabbersgat fuhren wir in das Markermeer. Auch an diesem Tag war praktisch Flaute und wir motorten in Richtung Amsterdam. Genauso wie die Einfahrt auf der Elbe nach Hamburg ist es auch in Amsterdam ein tolles Gefühl auf der Ij, dem einem der Flüsse durch Amsterdam, in Richtung Innenstadt zu fahren. Es muss nur eine Klappbrücke passiert werden und schon ist man auf dem Weg und nach kurzer Zeit kommt der Hauptbahnhof Amsterdam Centraal an backbord auf. Unsere Marina Sixhaven lag in Amsterdam Noord, genau gegenüber des Hauptbahnhofs und nur eine kurze Fahrt mit einer der all gegenwärtigen Fähren über den Fluss. Von hier aus wollten wir am nächsten Abend dann in die berühmte Stande Maast Route starten. Aber zuerst stand „in das Leben von Amsterdam eintauchen“ auf der Liste. Die Sonne schien und es war wohl auch für Amsterdam und seine Bewohnerschaft einer der ersten warmen Frühlingstage. Die Cafés waren voll und alle Menschen flanierten auf den Straßen. Ich weiß nicht, ob es diesen Spruch tatsächlich gibt, aber „Was in Amsterdam passiert bleibt auch in Amsterdam“. Soviel nur zu unserem Abend: Es war lustig!

Stande Maast Route

Nach dem Auskatern in unserer Marina machten wir uns am nächsten Abend gegen 18.30 Uhr auf den Weg, die Einfahrt der Stande Maast Route zu suchen. Die Stande Maast Route ist eine niederländische Besonderheit. Für alle, die noch nie etwas davon gehört haben, sie ist ein Kanalsystem durch die ganzen Niederlande mit verschiedenen Strecken, die alle durch Schleusen, Dreh-, Hebe- und Klappbrücken durchgehend mit stehendem Mast befahrbar sind. Viele Brücken werden automatisch bei der Annäherung für den Auto- und Fußgängerverkehr gesperrt. Bei manchen anderen muss sich per Funk gemeldet werden und dann werden sie geöffnet. Wir wählten also die Route durch Amsterdam. Zuerst mussten wir im Alten Holzhafen die erste Brücke und somit die Einfahrt in die Route finden, was sehr gut gelang, da die Brücke genau mit unserer Ankunft geöffnet wurde und wir mit den zwei weiteren Booten, die dort warteten, in den Kanal einfahren konnten. Dort hieß es erstmal warten. Die folgende Brücke, eine Eisenbahnbrücke, die nur einmal am Tag zwischen 22.00 Uhr und 02.00 Uhr morgens geöffnet wird, war noch nicht so weit. So hatten wir noch Zeit uns bei dem Wasseramt zu melden, was eigentlich schon vor der Einfahrt an der ersten Brücke hätte passieren sollen. Wir liefen zurück zu der Brücke und stellten fest, dass die Mitarbeiter dermaßen entspannt waren. Kein Name, keine Größe, keine Gebühren. Das ging gut los. Zurück auf Roci kochten und aßen wir und legten uns im Anschluss noch einmal hin. Das UKW Radio laut auf Kanal 69 damit wir die Ansage durch den Brückenoperator, wann es losgeht, nicht verpassten. Um kurz nach 22.00 Uhr kam die Info, dass die Brücke heute erst gegen 02.00 Uhr geöffnet wird, was immer mit dem Zugfahrplan von und nach Amsterdam in Verbindung steht. So drehten wir uns nochmal um und warteten erneut. Um kurz nach 02.00 Uhr kam die Durchsage, dass noch eine weitere halbe Stunde abgewartet werden muss, bevor es losgehen kann. Das hat schon ganz schön geschlaucht, die ganze Warterei. Auch, weil ich ja nicht sehr entspannt war vor so einer aufregenden Angelegenheit. Aber von da an lief es wie am Schnürchen. Unser kleiner Konvoi dampfte durch die äußeren Grachten des Jordaan und die Mitarbeiter/innen des Wasseramtes immer nebenher, um die nächste Brücke rechtzeitig zu öffnen. Es war unerwartet wenig los auf den Straßen und trotzdem ist es schon etwas sehr Besonderes durch diese schmalen Kanäle, mittendurch durch so eine Metropole, mit dem Schiff zu fahren. Die Lichter und die spärlichen Menschen, denen man fast vom Schiff aus, die Hand geben konnte, machten eine besondere für Segler auch ungewohnte Atmosphäre. Insofern ist die Stande Maast Route nicht nur praktisch, da man sich große Teile einer nicht einfach zu segelnden Nordsee sparen kann, sondern auch einfach ein einmaliges Erlebnis. Ca. zwei Stunden dauerte die Fahrt bis zum nächsten Bottleneck, der Autobahnbrücke beim Flughafen Schiphol. Wir wurden noch in das Nieuwe Meer geschleust, machten aber an dem Anleger direkt hinter der Schleuse fest und legten uns nochmal für eine Stunde hin.

Die Autobahnbrücke sollte um 07.00 Uhr geöffnet werden. Alleine, dass eine Autobahn für drei Boote gesperrt wird ist für mich unfassbar und zeigt den Stellenwert, den Segeln in den Niederlanden hat. Um 06.00 Uhr ging es weiter und durch die dann hoffentlich offene Brücke. Ab da war es erneut einfach großartig. Es war wunderschönes Wetter mit blauem Himmel und Sonnenschein, wenn auch ordentlich kalt. Die Landschaft geprägt von Wiesen und kleineren Dörfern und Städten in der pittoresken Art, wie man es aus nur aus den Niederlanden kennt und die einfach bezaubernd anzuschauen sind. Und natürlich Brücken, die sich fast wie von Zauberhand öffneten und so keinerlei Verzögerung verursachten. Traumhaft! Auf diese Art und Weise hätten wir entspannt noch am selben Tag in Rotterdam sein können. Wir hatten allerdings noch etwas Zeit bis wir dort sein mussten und entschieden uns für eine Nacht in der Stadt Gouda zu bleiben.

Gouda

Gegen 13.00 Uhr bereits machten wir in der sehr flachen, etwas kramigen Marina Gouda fest. Der Hafenmeister wies uns einen Platz an, bei dem wir beide merkten, dass Roci mit dem Kiel im Schlick stecken blieb. Aber wir waren nah genug am Steg, der Boden war weich und Roci kannte das ja auch schon aus Hamburg, wo sie in Finkenwerder bei Ebbe auch immer im Schlick steckte. So war nur ein Lachen und ein Augenzwinkern die Folge und wir konnten bald unseren Stadtrundgang beginnen.

Auch Gouda ist ein hübsches Städtchen, wobei man sich fragt ob es in dieser Region überhaupt etwas anderes gibt. Natürlich hat Gouda ein Käsemuseum, allerdings scheint man etwas müde von der ständigen Käseassoziation zu sein. Denn darüber hinaus zeigte es sich nicht sehr Käseorientiert. Eher stehen das auf dem zentralen Markplatz gelegene Rathaus und die Kirche, Sintjanskerk im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Kirche ist zudem die längste Kirche der Niederlande, was mit einigem Stolz zu erfahren ist. Bei einem Rundgang um die mittelalterliche Kirche konnten wir ihre Länge auch empirisch bestätigen. Ansonsten kämpft Gouda wohl mit dem Untergang, im wahrsten Sinn des Wortes. Der Boden scheint so weich aufgrund des hohen Grundwassers, bzw. der tiefen Lage des Landes zu sein, dass die Gebäude einfach in den Boden schmelzen, wie Käse auf einem Sandwich. Wir konnten einige schon sehr schiefe Gebäude beobachten, bei denen man sich fragt, wie darin noch Regale oder ähnliches an die Wand gebracht werden können, bzw. wie die darin aufbewahrten Gegenstände an Ort und Stelle gehalten werden können.

Nach einer opulenten Captains Schmorstunde verzogen wir uns dann in unsere Kojen, denn am nächsten Tag sollte ja Rotterdam erobert werden und dafür wollten wir fit sein.

Rotterdam

Um 09.00 Uhr am nächsten Morgen zogen wir Rocis Kiel aus dem Schlamm und machten uns auf den Weg. Und wieder öffneten sich alle Brücken wie von Geisterhand und selbst die, die laut Beschreibung noch geschlossen sein sollten, öffneten sich bei unserer Ankunft sofort. Auch die große Brücke Algerabrug, kurz vor Rotterdam, öffnete sich mit unserem Erscheinen, sodass wir keinerlei Wartezeiten hatten. Bereits kurz nach Gouda passierten wir die letzte Schleuse und von da an hatte die Hollandse Ijssel wieder Gezeiten, also Strömung, und auch das sonstige Bild veränderte sich. An manchen Stellen noch wie ein stolzer Fluss mit unzähligen Biegungen und Schilf und Wiese an ihren Ufern, war sie doch mehr und mehr industriell verbaut, mit Spundwänden eingefasst und kündigte so das wirtschaftliche Zentrum Rotterdam an. Auch der Verkehr nahm nach und nach wieder zu und spätestens mit Erreichen der Nieuwe Maas brauchten wir unsere ganze Konzentration zwischen Flusskreuzfahrtschiffen und kleinen und größeren Binnenfrachtern.

Und trotzdem war es wie in Amsterdam ein tolles und erhebendes Gefühl auf dem Wasserweg in eine Stadt einzufahren, die uns mit ihrer Skyline willkommen hieß. Nur noch zwei Brücken bis zu unserem Ziel, noch einmal Funkkontakt aufnehmen und wieder dauerte es keine fünf Minuten, bis sich die Brücken öffneten. Sicher in der Marina Rotterdam vertäut, stolz auf unsere Leistung, gönnten wir uns ein frühes Bier und genossen die entspannte und geglückte Fahrt bis hierher. Die erste längere Etappe war geschafft. Wir waren in 10 Tagen von Hamburg nach Rotterdam gekommen und das sogar mit Pausen und Aufenthalten. Also vollkommen entspannt. Der einzige Wermutstropfen ist, dass wir sehr viel unter Motor unterwegs waren. Jedoch, wo wir segeln konnten sind wir gesegelt und die nächsten Etappen entlang der belgischen und französischen Küste werden definitiv segelintensiver werden.